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Susanne Stephan: „Das große Herz der Rosa Luxemburg. Zum 150. Geburtstag“

Drei Bücher zu Rosa Luxemburg Foto: Susanne Stephan
Zwei Bücher und ein Postkartenset zu Rosa Luxemburg

Einmal bin ich mitmarschiert, zu Recherchezwecken und weil es der 100. Todestag von Rosa Luxemburg war: bei jener „sozialistischen Nelken-Prozession“, der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration, die jedes Jahr am zweiten Sonntag im Januar vom Berliner S-Bahnhof Frankfurter Tor zum Friedhof Friedrichsfelde führt, wo auf dem „Denkmal der Sozialisten“ eine rote Nelke abgelegt wird – Emblem der sozialistischen Bewegung bereits zu Rosa Luxemburgs Lebzeiten. Für sie enthüllte diese Blume jedoch noch eine ganz andere, uralte Symbolik: die der Todesbotin. Als sich im Herbst 1918, gegen Kriegsende, eine Haftentlassung abzeichnet, bringt ihr die Freundin Mathilde Jacob einige „Abschiedsnelken“ in die Zelle. Wenige Wochen nach der Freilassung gerät Rosa Luxemburg in den Fokus rechtsextremer Freikorpsler; am 15. Januar 1919 wird sie von ihnen gefangengesetzt, erschossen und in den Landwehrkanal geworfen.

Die Demonstration erlebte ich als einen Tummelplatz linker Splittergruppen und DDR-Revisionisten (tatsächlich war auch eine FDJ-Revival-Truppe unterwegs); dicke Schichten roter Nelken fanden sich nicht nur auf den Gräbern von Vorkämpfern der Bewegung, sondern auch DDR-Hardlinern. Beim Doppelgrab von Markus Wolf, Generaloberst und Spionage-Chef, und seines Bruders Konrad Wolf, Regisseur und Präsident der Akademie der Künste, ließ sich nicht entscheiden, wem von beidem die Blumen gelten oder welcher Seite ihrer durchaus schillernden Persönlichkeiten. Beide lebten Ende der Dreißiger Jahre in Stuttgart, zusammen mit ihrem Vater, dem Arzt Friedrich Wolf; auch er liegt in Friedrichsfelde begraben. Zu DDR-Zeiten war der Zug eine staatlich organisierte Massendemonstration, bei der das gesamte Politbüro der SED vorneweg marschierte. Die Funktionäre reagierten dann reichlich nervös, als 1988 einige Bürgerrechtler am Straßenrand ein Transparent mit dem berühmten Zitat von Rosa Luxemburg „Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“ enthüllten; zahlreiche Verhaftungen waren die Folge. Rosa Luxemburg selbst jedoch hielt Demokratie und Meinungsfreiheit für elementare Werte, die sie mit gleicher Vehemenz verteidigte wie ihre Überzeugung, dass nur eine Revolution das kapitalistische System überwinden könne. Heute würde sie sich vielleicht über so manche esoterische Gruppierung oder über die Unmengen roter Nelken belustigen, von denen gewiss keine im Freiland gewachsen ist

Blick in die Graphic Novel von Kate Evans Foto: Susanne Stephan
Blick in die Graphic Novel von Kate Evans

Geboren wurde Rosa Luxemburg am 5. März 1871 im polnischen Städtchen Zamość; aufgewachsen ist sie in Warschau. Sehr früh erschloss sie sich die polnische und deutsche Literatur sowie die Schriften von Karl Marx; da Frauen damals nur in der Schweiz ein Studium möglich war, schrieb sie sich in Zürich für Botanik und Zoologie ein. Später wechselte sie zu Staatswissenschaft und wurde „magna cum laude“ mit einer heute noch als Referenz geltenden Studie zur Industrialisierung Polens promoviert. Sie schloss sich der SPD in Deutschland an und galt bald als kluge Theoretikerin, begabte Autorin und große Rednerin, so als sie sich auf dem Internationalen Sozialistenkongress (der 1907 in der Stuttgarter Liederhalle abgehalten wurde) gegen reformistische Tendenzen in der Partei stellte. Ohne Angst vor der Staatsgewalt, mit – wie sich erweisen würde – großer Hellsichtigkeit kritisierte sie preußischen Militarismus, europaweite Kriegstreiberei und den damals allgemein akzeptierten Kolonialismus. Den 1. Weltkrieg verbrachte sie die meiste Zeit im Gefängnis.

Das Herbarium von Rosa Luxemburg
Das Herbarium von Rosa Luxemburg                      Fotos: Susanne Stephan

Als Einstieg in Leben und Werk dieser mutigen Frau – die auch mit so manchen ‚Gockeln‘ in der eigenen Partei zu tun hatte – empfiehlt sich die Graphic Novel „Rosa“ von Kate Evans, und als schöne Ergänzung die ebenfalls bei Dietz erschienene Ausgabe ihres Herbariums, das sie während der Haft anlegte. Von Besuchern erbat sie Blumen, vor allem Wildblumen, die sie trocknete und bestimmte; dabei sollen einige Sträuße und Töpfe auch als Kassiber für politische Nachrichten benutzt worden sein. Sie lauschte auf die Vögel, kümmerte sich um eine verletzte Taube und stellte den Insekten, die im kahlen Gefängnishof wenig fanden, Töpfe mit blühenden Pflanzen auf das Fenstersims. Und geradezu prophetisch, dass sie, die scharfe Kritikerin eines expansiven Kapitalismus, sich ins Gefängnis ein Buch mit Titel „Das Klimaproblem“ schicken ließ.

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